Verkehrswende per App-Mietwagen?

Verkehrswende per App-Mietwagen?

Bewertung der Grundzüge des Referentenentwurfs zur PBefG-Novelle

Die Debatte um die Novellierung des PBefG zugunsten „digitaler Geschäftsmodelle“ ist in einer intensiven Phase. Anlass ist der auf den 3. November 2020 datierende Referentenentwurf. Dr. Astrid Karl und Dr. Jan Werner bewerten den Referentenentwurf in einem aktuellen Artikel aus der Perspektive der verkehrlichen Potenziale von App-Fahrdiensten für die Ziele einer Verkehrswende.

Diagnose: App-Mietwagen sind der (heimliche) Gewinner der Novelle

Vordergründig geht es dem Referentenwurf um rechtssichere Rahmenbedingungen für App-vermittelte, bedarfsgerechte Fahrdienste, die intelligent separate Fahrtwünsche mit ähnlichen Fahrtstrecken bündeln. Im Koalitionsvertrag der CDU, CSU, SPD wurde hierfür noch der Begriff des „Ridepoolings“ verwendet, der in den nachfolgenden Eckpunktepapieren des BMVI und der Findungskommission von den „Pooling-Diensten“ innerhalb und außerhalb des ÖPNV abgelöst wurde und nun im Referentenentwurf eingedeutscht wurde als „Linienbedarfsverkehr“ (Pooling innerhalb des ÖPNV) und „gebündelter Bedarfsverkehr“ (Pooling außerhalb des ÖPNV).

Parallel enthielt bereits der Koalitionsvertrag ein weiteres Geschäftsmodell „digitaler“ Fahrdienste – den App-vermittelten Mietwagen, der wie das Taxi exklusive Fahrten anbietet. Im aktuellen Rechtsrahmen ist dieses Geschäftsmodell höchst umstritten und mehrfach von Gerichten verboten worden.

Mit dem Referentenentwurf bekommen App-vermittelte Mietwagen eine rechtssichere genehmigungsrechtliche Grundlage. Dies stellt die bisherige Regulierungslogik des PBefG auf den Kopf und hat wirtschaftlich vorhersehbar zur Folge, dass dieses Geschäftsmodell die Chancen des „gebündelten Bedarfsverkehrs“ untergräbt und daneben auch dem Taxi zur bedrohlichen Konkurrenz erwächst. Auch dem ÖPNV werden Fahrgäste entzogen. App-vermittelte Mietwagen können bar jeglicher Verpflichtungen agieren: Sie können ihrer Preise selbst bestimmen, müssen sich an keine Betriebs- oder Beförderungspflicht halten und für sie gelten auch keinerlei Vorgaben zur Gewährleistung eines barrierefreien Angebots. Der genaue Blick zeigt, dass das Festhalten an der Rückkehrplicht nur den Anschein von Regulierung wahrt, aber durch die Zulassung der App-Vermittlung den eigentlichen Zweck nicht mehr erfüllen kann. Die im Referentenentwurf einzige sonst angebotene kommunale Steuerungsmöglichkeit der Unterbindung nicht marktgerechter Preise entpuppt sich als hohle Drohkulisse.

Bei Umsetzung des Referentenentwurfs wird – das zeigen nicht zuletzt die Erfahrungen in den USA – in den Ballungsräumen mit Mehrverkehr zu Lasten des Taxis und des ÖPNV gerechnet werden müssen. Mehr Mobilität mit weniger Verkehr im städtischen Verkehr wird aller Voraussicht nach nicht erreicht werden. Für den ländlichen Raum und in kleineren Städten dürfte dieses kein Problem sein. Dort weckt der Entwurf Erwartungen auf neue Chancen der flächenhaften Bedienung mit öffentlich zugänglichem Verkehr. Aus öffentlichen Mitteln dürfte dies allerdings kaum finanzierbar sein.

Gegenmodell: Regulierung orientiert an öffentlichen Verkehrsinteresse

Der Artikel gibt einen gerafften Ausblick darauf, wie der bestehende Regulierungsbedarf im Einklang mit den öffentlichen Verkehrsinteressen gelöst werden könnte. Dieser Ausblick beruht auf den Ergebnissen eines für das UBA erstellten Gutachtens, das Ende November veröffentlicht wurde.

Karl, Astrid / Werner, Jan: „Mehr Mobilität mit weniger Verkehr“ – Tücken der Regulierung von App-Fahrdiensten im Spannungsfeld zwischen Sammelfahrdiensten und App-vermittelten Mietwagen, in: Verkehr und Technik, Heft 12/2020, S. 449-456

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