55 Triebzüge des Typs „Flirt Akku“ von Stadler Rail werden künftig auf norddeutschen Schienen unterwegs sein. Das ist das Ergebnis der technologieoffenen Ausschreibung zur Beschaffung von innovativen Triebzügen sowie deren Instandhaltung über 30 Jahre, die KCW für die NAH.SH, den SPNV-Aufgabenträger in Schleswig-Holstein, begleitet hat. Die innovativen Flirts lösen die bisher genutzten Dieselzüge ab. Das Verfahren ist das erste dieser Art, das in Deutschland erfolgreich abgeschlossen wurde.
Fast drei Jahre nach dem Beginn des Vergabeverfahrens haben Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buchholz und Stadler-Deutschland-Chef Jure Mikolčić am 14. Oktober 2019 den Liefer- und Instandhaltungsvertrag unterzeichnet. Im Anschluss konnte der Flirt AKKU bei einer Testfahrt von Kiel nach Oppendorf ausprobiert werden.
Emissionsreduktion als Ziel der Vergabe
Ausgangspunkt der Vergabe war die Frage, wie es gelingen kann, umweltfreundlichen Schienenverkehr auf einem Netz zu ermöglichen, das nur zu 30 Prozent elektrifiziert ist. Um sicherzustellen, dass sich im Wettbewerb der Ideen das beste Konzept durchsetzt, gab es bei der Wahl der Technik keine Vorgaben. Entscheidend war vielmehr, dass die CO2-Emissionen durch die neuen Züge um mindestens 50 Prozent sinken. Verbleibende Emissionen wurden mit einem Wertungsmalus belegt, die übrigen Wertungskriterien folgten im Kern einem Lebenszykluskostenansatz und berücksichtigten insbesondere den Kaufpreis für die Triebzüge, die Instandhaltungspreise, die Kosten zusätzlich benötigter Ladeinfrastruktur sowie die Energiekosten. Bewertet wurden ferner zahlreiche Qualitätsmerkmale, etwa die Fahrdynamik oder die Anzahl der Sitzplätze. Neben den letztlich erfolgreichen Akkuzügen waren auch Wasserstofffahrzeuge in der Diskussion, die beispielsweise in Niedersachsen bereits im Einsatz sind.
Der Zuschlag wurde am 1. Juli 2019 erteilt. Batterieelektrische Züge sind nicht neu, waren aber zumindest in Deutschland lange in Vergessenheit geraten. Unter modernen Vorzeichen wird diese alte Idee nun im Norden wiederbelebt: Mit zeitgemäßem Komfort und moderner Speichertechnik. Die Ladung der Fahrzeuge erfolgt nicht über Steckerverbindungen, sondern über Stromabnehmer und die Oberleitung.
Mit einer Ladung können die Flirts bis zu 150 Kilometer zurücklegen, abhängig von den jeweiligen Einsatzbedingungen. In jedem Fall sind die Akkus groß genug, um die bis zu 80 Kilometer langen Elektrifizierungslücken in Schleswig-Holstein auch mit ausreichend Reserven für Störfälle zu überbrücken.
Obwohl sich mit dem batterieelektrischen Konzept aufwendige und kostspielige Elektrifizierungsmaßnahmen weitgehend vermeiden lassen, muss die Infrastruktur punktuell ausgebaut werden: An ausgewählten Stellen im Netz werden zusätzliche Ladevorrichtungen errichtet und bestehende Oberleitungen verlängert, damit eine Ladung der Fahrzeugbatterien möglich ist. Hier müssen insbesondere die bundeseigenen Infrastrukturbetreiber DB Netz und DB Energie schnell handeln.
Wirtschaftlich erfreuliches Ergebnis
Das wirtschaftliche Ergebnis des Verfahrens ist erfreulich: Über den Investitionszeitraum von 30 Jahren gerechnet sind die Akkuzüge etwas günstiger als Dieselfahrzeuge. KCW geht davon aus, dass die in Schleswig-Holstein gesammelten Erfahrungen ähnlichen Vorhaben Rückenwind geben. Das Projekt hat auch wichtige Erkenntnisse zur Wirtschaftlichkeit unterschiedlicher Technologien in Abhängigkeit von den jeweiligen Rahmenbedingungen geliefert.