© Railmap 2030 -- Titelbild
Wie gelingt die Verkehrswende auf der Schiene?

Wie gelingt die Verkehrswende auf der Schiene?

KCW erstellt Railmap 2030 für Agora Verkehrswende

Die amtierende Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, „[m]it einem Schienenpakt von Politik und Wirtschaft bis 2030 […] doppelt so viele Bahnkundinnen und Bahnkunden gewinnen [zu wollen] und dabei unter anderem mehr Güterverkehr auf die umweltfreundliche Schiene [zu] verlagern“. Prägnanter formuliert ist das gemeinsame Ziel von Politik und Eisenbahnsektor die Verdopplung des Verkehrs auf der Schiene bis 2030.

Bei Umsetzung des so formulierten politischen Verdopplungsziels würde mehr Mobilität mit dem umweltfreundlichen Verkehrsmittel Eisenbahn ermöglicht. Sofern die Verdopplung der Verkehrsleistung im Personen- und Güterverkehr tatsächlich erreicht wird und vollständig zulasten der Straße geht, könnten dadurch – ohne Berücksichtigung weiterer Maßnahmen – im Jahr 2030 rund 14 Mio. Tonnen Kohlendioxid eingespart werden. Wenn auch das Flugzeug Marktanteile abgeben muss, fallen die Einsparungen noch höher aus. In absoluten Zahlen bedeutet dies: 2030 würde der Verkehrssektor statt 151 Mio. Tonnen nunmehr 137 Mio. Tonnen CO2 emittieren – immer noch zu viel (der Referenzwert aus dem Jahr 1990 liegt bei 163 Mio. Tonnen, der Zielwert für 2030 zwischen 95 und 98 Mio. Tonnen), aber dennoch ein signifikanter Beitrag zum Klimaschutz.

Fünf Kernmaßnahmen für eine starke Schiene

Die Denkfabrik Agora Verkehrswende hat KCW damit beauftragt, zu klären, ob und wie das Verdopplungsziel erreichbar ist. KCW hat dazu das Gutachten „Railmap 2030 – Bahnpolitische Weichenstellungen für die Verkehrswende“ erarbeitet, das am 13. März 2019 in Berlin vorgestellt wurde. Zwar ist die zeitliche Zielsetzung auf 2030 hoch ambitioniert, doch das Gutachten zeigt Wege auf, um das Verdoppelungsziel zu erreichen. Auf Basis einer Analyse von vorbildlichen Entwicklungen, insbesondere in der Schweiz und in Schweden, wird die Umsetzung von fünf Kernmaßnahmen für erforderlich erachtet:

1. Sukzessive Einführung des Deutschland-Taktes bis 2030 als zentraler Dreh- und Angelpunkt.
Der Deutschland-Takt ermöglicht durch effektive „Sortierung der Trassen“ einen Zugverkehr mit wesentlich mehr Verbindungen im Fern- und Nahverkehr auf der Schiene. Er sichert Anschlüsse mit kurzen Umsteigezeiten und sieht Verknüpfungen auch in den ÖPNV und in multimodale Angebote vor. Per Saldo wird Bahnfahren wesentlich attraktiver. Die Eisenbahn wird von mehr Menschen häufiger genutzt und vielen Menschen wird es ermöglicht, sich kein eigenes Auto anschaffen zu müssen, um mobil zu sein. Der Schienengüterverkehr (SGV) profitiert ebenfalls vom Deutschland-Takt: Für ihn werden spezielle Systemtrassen in der Netzkapazität reserviert. Das ist notwendig, weil der Bedarf nach konkreten Fahrten im SGV mit wesentlich kürzeren Vorlauffristen als im Schienenpersonenverkehr planbar ist. Mit der Systemtrasse wird der SGV nicht mehr auf „gestückelte Trassenreste mit langen Wartezeiten“ verwiesen. Die infrastrukturelle Kapazitätsbasis für eine Verdopplung des SGV ist somit im Deutschland-Takt planbar.

2. Ausbau der Eisenbahn-Infrastruktur zur Umsetzung des Deutschland-Taktes.
Die Planungsprämissen werden gedreht: Aus dem Zielnetzfahrplan des Deutschland-Taktes für den Personenverkehr und dem Bedarf an Systemtrassen für die Verdoppelung des Güterverkehrs werden die Anforderungen an die Kapazitäten und den Ausbaubedarf der Infrastruktur abgeleitet. Hohe Relevanz bei den Ausbaustandards und Kapazitätsvorgaben haben dabei auch die Anforderungen an die Verlässlichkeit der rechtzeitigen Trassenverfügbarkeit. Auf diese Weise werden Systemreserven eingeplant, die infrastrukturbedingte Verspätungen und Zugausfälle massiv verringern helfen. Der Erfolg muss sich messen lassen können: „Pünktlich wie die Eisenbahn“ soll unzweifelhaft wieder als Synonym für das sprichwörtliche Schweizer Uhrwerk stehen.

3. Senkung der Trassenpreise zur zielgerichteten Generierung von Mehrverkehr auf der Schiene.
Die Infrastruktur soll nicht nur in ihrer Kapazität kräftig aufgestockt werden. Diese Kapazität soll auch nicht brachliegen, sondern möglichst umfassend ausgelastet werden. Bei nachfrageschwachen Räumen und Zeiten des im Zielnetzfahrplan vorgesehenen Angebots des Schienenpersonenfernverkehrs darf es nicht passieren, dass das vorgesehen Angebot deshalb wirtschaftlich nicht realisierbar ist, weil die so genannte „Schienenmaut“ prohibitiv hoch ist. Hier sollen daher die Infrastrukturnutzungsentgelte auf die „Kosten des unmittelbaren Zugbetriebs“ reduziert werden. Der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) zahlt heute schon die auf ihn entfallenden anteiligen Fixkosten. Für Ausweitungen des Angebotes im SPNV sollen daher nur die unmittelbaren Kosten des Zugbetriebs gezahlt werden. Im Schienengüterverkehr soll dieses ebenfalls gelten, soweit dieses erforderlich ist, um den Slogan „Güter gehören auf die Bahn“ Realität werden zu lassen.

4. Digitalisierung der Schieneninfrastruktur inklusive der Leit- und Sicherungstechnik.
Dies ist unverzichtbar, um auch ohne massive bauliche Ausweitung der Infrastruktur eine Erhöhung der Kapazität des vorhandenen Schienennetzes zu erreichen. Den Bahnkundinnen und -kunden kann die Digitalisierung überdies den Zugang zum Schienenverkehr durch bessere Informations- und Serviceangebote erleichtern.

5. Förderung eines Innovationsschubs im Schienengüterverkehr.
Digital vernetzte und zunehmend elektrische Waggons ermöglichen den Transport von bisher nicht als „schienenaffin“ geltenden Sammelgütern und Sendungen der Kurier-, Express- und Paketdienste. Langfristig könnten autonom fahrende Güterwagen sogar die breite Rückkehr des Schienengüterverkehrs in die Fläche erlauben.

Ohne attraktive Rahmenbedingungen keinen Erfolg

Über alle Maßnahmen hinweg ist eine „Ermöglichungskultur“ zur Stärkung der Schiene in Deutschland notwendig, die sich in einem breiten Konsens – sowohl aus der Branche als auch aus der Gesellschaft – zur Attraktivierung des Bahnverkehrs ausdrücken muss. Eine entsprechende Aufbruchsstimmung muss von den Akteuren getragen werden, insbesondere von DB AG und Bund. Der von der Bundesregierung eingesetzte Bahnbeauftragte nimmt dabei eine zentrale Rolle rein, um einerseits die Verantwortung des Bundes für „seine“ Eisenbahn mit Leben zu erfüllen und anderseits die Interessenvertretung der Schiene in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu bündeln und Treiber des Verdopplungszieles zu sein.

Die „Railmap 2030“ wurde im Rahmen der offiziellen Präsentation durchweg gelobt. Gleichzeitig wurde die Notwendigkeit eines raschen Handelns zugunsten der Eisenbahn in Deutschland von vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern unterstrichen. KCW ist zufrieden mit der positiven Resonanz und hofft, auf diese Weise im Auftrag von Agora Verkehrswende einen Debattenbeitrag für die Eisenbahn- und Verkehrspolitik der kommenden Jahre geliefert zu haben, der auch dauerhaft Wellen schlägt und mit dazu beiträgt, der Schiene zu der notwendigen Renaissance zu verhelfen.