Anfang März wurde zum zweiten Mal der Personalkostenindex SPNV (PKI SPNV) veröffentlicht. Mit dem neuen Branchenindex sollen gezielt die Personalkosten von Lokführern und Zugbegleitern im deutschen Schienenpersonennahverkehr erfasst und fortgeschrieben werden.
Hintergrund
Bislang wurden personalbezogene Aufwendungen in SPNV-Verkehrsverträgen in der Regel mit amtlichen Indizes dynamisiert, meistens mit dem Tarifindex H.49 des Statistischen Bundesamtes, der die Entwicklung im Landverkehr und bei Rohrfernleitungstransporten erfasst. Allerdings stellten sowohl Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) als auch Aufgabenträger erstmals vor ungefähr acht Jahren fest, dass die Standardindizes deutlich langsamer ansteigen als die tatsächlichen Kosten, insbesondere beim Fahrpersonal. Diese Entwicklung hielt auch in den Folgejahren an.
Der Grund für die Abweichungen liegt unter anderem in neuen, mitarbeiterfreundlichen Regelungen zur Einsatzplanung in den relevanten Tarifverträgen. Diese werden in den klassischen Tarifindizes nicht berücksichtigt, führen im Betriebsalltag aber zu einem erheblichen Personalmehrbedarf und somit zu weiteren finanziellen Aufwendungen. Beides trifft auch auf Wahlmodelle zu, bei denen sich die Arbeitnehmer zwischen mehr Lohn und mehr Freizeit entscheiden können. Gerade bei langfristigen Verkehrsverträgen fürchteten die Unternehmen systematische Unterkompensationen bei den Personalaufwendungen, die mit 20 bis 35 Prozent am Gesamtaufwand einen erheblichen Kostenblock darstellen.
Entwicklung eines neuen Index
Um die Risiken für die Eisenbahnverkehrsunternehmen zu senken und dadurch letztlich einen Beitrag zur langfristigen Wettbewerbssicherung im SPNV zu leisten, haben Aufgabenträger und mehrere Unternehmen im Jahr 2018 gemeinsam die Entwicklung eines Personalkostenindex, speziell für Triebfahrzeugführer und Zugbegleiter im deutschen Schienenpersonennahverkehr, initiiert und vorangetrieben. Der PKI SPNV sollte die Besonderheiten der Branche angemessen erfassen und so Kompensationslücken schließen.
KCW hat die beteiligten Unternehmen und Aufgabenträger gemeinsam mit der IVU Traffic Technologies AG bei der Indexentwicklung fachlich unterstützt und kümmert sich seit August 2022, wieder gemeinsam mit IVU, in einem Anschlussprojekt um die Fortschreibung des Index. Der neue Auftrag läuft zunächst bis 2027 und kann um weitere fünf Jahre verlängert werden. Er beinhaltet neben Datenerfassung, Simulationen und Berechnungen, Projektmanagement und Projektdokumentation auch die methodische Weiterentwicklung des PKI SPNV, sofern dies erforderlich sein sollte.
Möglichst genaue Kostenerfassung
Der erste Jahreswert des neuen Index – für das Jahr 2021 – wurde im März 2022 veröffentlicht: Mit gut drei Prozent fiel der Anstieg gegenüber dem Basisjahr 2020 deutlich höher aus als beim Tarifindex H.49. Dort lag das Plus bei gut zwei Prozent. Im Folgejahr fiel der Unterschied mit 1,79 Prozent (H.49) zu 3,85 Prozent (PKI SPNV) noch größer aus.
Tarifindex H.49 und PKI SPNV: Indexwerte und jährliche Veränderungsraten
Der PKI SPNV ist darauf angelegt, die tatsächliche Kostenentwicklung beim Fahrpersonal möglichst genau zu erfassen – dies kann mit einem stärkeren Wachstum als bei den amtlichen Indizes einhergehen, muss es aber nicht. Neben tarifvertraglichen Regelungen fließen in die Indexbildung auch unternehmensspezifische Informationen zu den Mitarbeitern der beteiligten EVU sowie bestimmte gesetzliche Regelungen ein. Nicht berücksichtigt werden hingegen Betriebsvereinbarungen sowie Ausbildungs- und Rekrutierungskosten. Dadurch soll verhindert werden, dass das wirtschaftliche Handeln einzelner Unternehmen zu stark auf die Indexentwicklung einwirkt. Obwohl auch Tarifverträge letztlich für einzelne Unternehmen bzw. Gesellschaften ausgehandelt werden, wird hier ein deutlich stärkerer Bezug zur allgemeinen Branchenentwicklung unterstellt.
Derzeit sind 32 Tarifverträge im „Warenkorb“ des PKI SPNV enthalten, die die beteiligten EVU mit den Gewerkschaften GDL und EVG geschlossen haben. Damit sind mehr als drei Viertel des Fahrpersonals im deutschen SPNV erfasst. Der „Warenkorb“ wird alle fünf Jahre aktualisiert. Sowohl Inputs als auch Modellergebnisse werden von externen Gutachtern bzw. direkt von den Eisenbahnverkehrsunternehmen und Aufgabenträgern geprüft. Beide Seiten entscheiden selbst über Art und Umfang der Prüfung. Eine Ausnahme gibt es bei unternehmensspezifischen Mengendaten, die die Eisenbahnverkehrsunternehmen zuliefern. Hier erfolgt jährlich eine obligatorische und weitgehend standardisierte Begutachtung durch externe Wirtschaftsprüfer.
Erstes Teilmodell: direkte Kosten
Um eine möglichst exakte Kostenerfassung zu erreichen, werden zwei spezifische Teilmodelle verwendet. Im ersten Teilmodell werden die direkten Kosteneffekte abgebildet. Das Vorgehen entspricht weitgehend dem bei amtlichen Tarifindizes – allerdings fließen einerseits deutlich mehr Parameter ein, andererseits werden zeitbezogene Größen wie Arbeitszeit oder Urlaub vollständig in das zweite Teilmodell verschoben. Erfasst werden verschiedene Vergütungsparameter, etwa der monatliche Grundlohn, jährliche Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld sowie Zulagen.
Die in den jeweiligen Tarifverträgen aufgeführten Geldbeträge werden zu einem durchschnittlichen monatlichen Gesamtlohn eines Vollzeitmitarbeiters addiert. Dabei werden auch die aktuellen unternehmensspezifischen Daten berücksichtigt – etwa die Anzahl der Überstunden oder der Nachtarbeitsanteil, die Zuordnung der Mitarbeiter zu bestimmten Funktionsgruppen sowie Berufserfahrung und die Dauer der Betriebszugehörigkeit.
Zweites Teilmodell: indirekte Kosten durch zusätzlichen Personalbedarf
Im zweiten Teilmodell werden Effekte abgebildet, die sich aus Beschränkungen der unternehmerischen Freiheitsgrade bei der Dienstplanung und weiteren Bestimmungen aus den Tarifverträgen ergeben. Diese Regelungen haben kein „Preisschild“ wie die Parameter im ersten Teilmodell, für die Unternehmen gehen sie jedoch mit Mehrkosten einher. Um diese zusätzlichen Aufwendungen quantifizieren zu können, wird, ausgehend von einem fiktiven Musternetz und einem entsprechenden Fahrplan, mit Hilfe der Standardsoftware der IVU Traffic Technologies AG in einem sequenziellen Verfahren mit Umlaufplanung, Dienstplanung und Dienstreihenfolgeplanung ermittelt, wie viele Mitarbeiter für den Musternetzbetrieb erforderlich sind, wenn die Regeln eines bestimmten Tarifvertrages sowie bestimmte gesetzliche Bestimmungen beachtet werden. Sofern sich Regeländerungen auf den Personalbedarf auswirken, verändern sich – bei gleicher Verkehrsleistung – entsprechend die Kosten. Musternetz bzw. Musterfahrplan, Umlaufplanung und allgemeine Annahmen bleiben dabei in einer Warenkorbperiode konstant; Dienstplanung, Dienstreihenfolgeplanung und der Output ändern sich abhängig von der Weiterentwicklung der jeweiligen Tarifverträge.
Input und Output, zweites Teilmodell
Erstes und zweites Teilmodell als Basis für den Index
Während die Löhne im ersten Teilmodell für jeden Monat berechnet werden, wird der Personalbedarf im zweiten Teilmodell einmal im Jahr zum Stichtag 31. Juli ermittelt. Um den Gesamtindex zu berechnen, werden die Ergebnisse aus dem ersten Teilmodell zu einem 12-Monats-Mittelwert (August bis Juli) zusammengefasst – und dann mit der Anzahl der benötigten Mitarbeiter aus dem zweiten Teilmodell multipliziert. Das passiert zunächst bei jedem Tarifvertrag. Die Ergebnisse werden anschließend mit den jeweiligen Warenkorbanteilen gewichtet und zu Branchenwerten zusammengefasst. Aus diesen Größen kann dann der Indexwert für ein konkretes Jahr berechnet werden.
Der Modellindex wird abschließend mit dem Tarifindex H.49 zum letztlich veröffentlichten PKI SPNV vermischt. Das Verhältnis liegt bei 70 zu 30. Aus Sicht der Aufgabenträger wird durch die Mischung erreicht, dass die Entwicklung in der Transportbranche insgesamt bei künftigen Ausschreibungen im SPNV weiterhin berücksichtigt wird.
Gemeinsamer Verein verantwortet langfristige Pflege und Weiterentwicklung
Der PKI SPNV wird jährlich am ersten Montag im März auf der Homepage des Bundesverbandes SchienenNahverkehr veröffentlicht. Der BSN empfiehlt die Nutzung in Neuverträgen für Triebfahrzeugführer und Zugbegleiter. Mit der Gründung des Vereins zur Pflege und Weiterentwicklung des Personalkostenindex im Schienenpersonennahverkehr (VPKI SPNV) im April 2022 wurde eine Institution geschaffen, die dauerhaft für die Pflege und Entwicklung des PKI SPNV zuständig sein soll. Gründungsmitglieder sind neben dem BSN die Eisenbahnverkehrsunternehmen DB Regio, Transdev, Abellio, Albtal-Verkehrs-Gesellschaft, Benex, Hessische Landesbahn, Go-Ahead Deutschland, Eurobahn, National Express Rail und Netinera Deutschland. Grundsätzlich können alle EVU Vereinsmitglied werden, sofern sie mindestens einen gemeinwirtschaftlichen Vertrag im SPNV in Deutschland abgeschlossen haben. Durch die Vereinsgründung wurde nach Ansicht beider Seiten die Grundlage dafür geschaffen, dass sich der PKI SPNV als „quasi-amtlicher“ Index für die Personalkostenentwicklung im Schienenpersonennahverkehr etabliert.