Umsetzung Auftrag aus Koalitionsvertrag
Die Novellierung des PBefG wurde von Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart. Durch eine Modernisierung des Personenbeförderungsrechts wollte die Koalition für eine rechtssichere Regelung von sogenannten plattformbasierten Mobilitätsdiensten sorgen. Plattformbasierte Mobilitätsdienste bieten Mobilität nach Bedarf über die Nutzung von Smartphone-Apps an, über die die Bestellung, Buchung und Zahlungsabwicklung erfolgt. Die Zusammenführung von Nachfrage und Angebot ggf. auch die Preisfestlegung erfolgt algorithmenbasiert, wobei je nach Geschäftsmodell auch Beförderungswünsche separater Parteien auf eine Fahrt gebündelt werden können („Ridepooling“). Da das PBefG bislang kleine reguläre Genehmigung für solche Beförderungsdienste vorsah, war eine Genehmigung nur ausnahmeweise und zeitlich befristet möglich. Die Gesetzinitiative sollte hier Abhilfe schaffen.
Etappen BMVI-Eckpunkte und Findungskommission
Das BMVI hatte im Februar 2019 ein erstes informelles Eckpunktepapier in Umlauf gebracht, das darauf hinausgelaufen wäre, App-basierte Fahrdienste und Poolingdienste über eine Vermittlung von uneingeschränkten Mietwagenverkehren zu ermöglichen.
Um einen Kompromiss zu erreichen, wurde eine Findungskommission einberufen, in der neben BMVI-Vertretern Vertreter der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD, der Vorsitz des Verkehrsausschusses sowie Vertreter der Länder Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig-Holstein eingebunden waren. Im Juni 2020 wurde in elf Eckpunkten ein politischer Kompromiss zur rechtlichen Zulassung App-basierter Mobilitätsdienste für das Gesetzvorhaben gefunden.
Regierungsentwurf und paralleler Entwurf der Koalitionsfraktionen
Auf Basis der Eckpunkte der Findungskommission hat die Bundesregierung am 1. Januar 2021 einen Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht (BR-Drs. 28/21, BT-Drs. 19/26819). Parallel haben die Koalitionsfraktionen am 26. Januar 2021 einen gleichlautenden Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht (BT-Drs. 19/26175). Die vom federführenden Ausschuss beschlossene öffentliche Anhörung fand am 22. Februar 2021 statt. Nach Stellungnahme des Bundesrates (BR-Drs. 28/21 (Beschuss); BT-Drs. 19/26819, Anlage 3, S. 16 ff.) und Gegenäußerung der Bundesregierung (BT-Drs. 19/26963) hat der federführende Ausschuss die Vorlagen sowie einen von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Änderungsantrag am 3. März 2021 abschließend beraten (BT-Drs. 19/27288). Der Bundestag ist am 5. März 2021 den Empfehlungen des federführenden Ausschusses gefolgt und hat den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen in der geänderten Fassung angenommen und gleichzeitig den Gesetzentwurf der Bundesregierung für erledigt erklärt. Der Bundesrat hat am 26. März 2021 zugestimmt.
Zentrale Inhalte der PBefG-Novelle
Die PBefG-Novelle führt zwei neue Verkehrsformen ein: den Linienbedarfsverkehr (§ 44) und den gebündelten Bedarfsverkehr (§ 50):
- Beim Linienbedarfsverkehr handelt es sich um in den ÖPNV eingebundenes „Ridepooling“ (die Eckpunkte der Findungskommission verwendeten den Begriff „Pooling-Dienste im ÖPNV“); er wird als neue Form des Linienverkehrs umgesetzt. Inhaltlich handelt es sich um flexible Angebote wie von Anrufsammeltaxen oder Rufbussen, die heute oft über Apps genutzt werden können.
- Beim gebündelten Bedarfsverkehr handelt es sich um kommerzielles Ridepooling – wie von Anbietern wie MOIA (Hamburg und Hannover) oder CleverShuttle – außerhalb des ÖPNV. Der gebündelter Bedarfsverkehr ist als eine neue Form des Pkw-Gelegenheitsverkehrs ausgestaltet worden.
Zusätzlich zu diesen beiden neuen Genehmigungsformen wird die Genehmigungspflicht bestimmter Plattformvermittlungsdienste neu ins PBefG aufgenommen (§ 1 Abs. 1a). Mit diesen Plattformvermittlungsdiensten sind App-Anbieter gemeint, die nicht selbst die Beförderung durchführen (wie z. B. derzeit MOIA oder CleverShuttle), sondern Beförderungsangebote Dritter vermitteln, aber durch ihren bestimmenden Einfluss auf das vermittelte Angebot im Unterschied zu „reinen“ Vermittlern (z. B. Taxizentralen) selbst zum genehmigungspflichtigen Unternehmer werden. Beispiele für die „Plattformvermittlungsdienste“ sind Angebote von Uber oder FREE NOW.
Weitere Änderungen des PBefG betreffen die Verankerung der Ziele des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit, die Einführung von Berichtspflichten zu Mobilitätsdaten oder die Möglichkeit von Festpreisen bzw. Mindest- und Höchstpreisen („Tarifkorridor“) im Taxiverkehr. Neben dem PBefG werden deshalb auch weitere Gesetze und Verordnungen angepasst:
- Regionalisierungsgesetz: bedingte Zuordnung Taxi zum ÖPNV
- Straßenverkehrsgesetz; Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV): Einführung Fachkundenachweis Taxi, Mietwagen, gebündelter Bedarfsverkehr (Wegfall Ortskundeprüfung Taxi)
- Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV): Anpassung Daten Zentrales Fahrerlaubnisregister
- Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr (BOKraft): Einführung Kennzeichnungspflicht Fahrzeuge Mietwagenverkehr, gebündelter Bedarfsverkehr (Ordnungsnummern); Ausrüstung Taxi mit Navigationsgerät (§ 28a); Zulassung „konformitätsbewertetes softwarebasiertes System“ als Fahrpreisanzeiger (Taxi) bzw. als Wegstreckenzähler (Mietwagenverkehr)
- Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen (BefBedV): Möglichkeit der Regelungen von Ausnahmen des Vertriebs von Fahrkarten in besonderen Beförderungsbedingungen
Konsolidiertes PBefG und Begründungen aus dem Gesetzgebungsverfahren
Um einen Überblick über das Ergebnis der PBefG-Novelle zu ermöglichen, haben wir auf Grundlage der geänderten Gesetzespassagen eine konsolidierte Fassung des PBefG erstellt und in einem weiteren Dokument den Normänderungen die jeweils relevanten Begründungen zugeordnet.