Barrierefreie Mobilität

Barrierefreie Mobilität

Evaluierung mit Beteiligung von KCW abgeschlossen

Eine Arbeitsgemeinschaft unter Beteiligung von KCW hat vor kurzem eine Studie abgeschlossen, die zeigt, wie es um den barrierefreien Verkehr in Deutschland bestellt ist. Auftraggeber der Evaluation war das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV). Der Abschlussbericht unter dem Titel „Ex-post- Evaluierung gesetzlicher Regelungen und Instrumente zur Herstellung der Barrierefreiheit im Bereich Verkehr“ kann seit kurzem auf der Webseite des BMDV abgerufen werden.

Die zentrale Erkenntnis der Studie ist, dass der aktuelle Rechtsrahmen bereits gute Grundlagen bietet und nur noch wenige Defizite besitzt – jedoch ist die Umsetzung dieses Rechtsrahmen vielfach noch mangelhaft. Entsprechende Handlungsempfehlungen für eine bessere Umsetzung und Gewährleistung barrierefreier Mobilität sind daher ebenfalls Teil der Studienergebnisse.

Das Ziel: Selbstbestimmte Mobilität für Menschen mit Einschränkungen
Barrierefreie und selbstbestimmte Mobilität für alle Menschen ist eine wesentliche Zielsetzung nicht erst der 2008 in Kraft getretenen UN-Behindertenrechtskonvention. Bereits dem 2002 verabschiedeten Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) lag der Anspruch zugrunde, Menschen mit Behinderungen eine selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Das kann nur gelingen, wenn alle Lebensbereiche für Menschen mit Behinderungen oder anderen Mobilitätseinschränkungen weitreichend zugänglich und uneingeschränkt nutzbar sind.

In den vergangenen Jahren wurden in Deutschland vom Bund diverse weitere gesetzliche Regelungen getroffen, teils auch mit konkreten zeitlichen Vorgaben. Bekannt ist vor allem die Zielsetzung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG), bis zum 1. Januar 2022 den öffentlichen Nahverkehr in Deutschland vollständig barrierefrei zu gestalten. Umsetzen müssen dieses Ziel die Baulastträger, Aufgabenträger, Verkehrsunternehmen und diverse weiteren Akteuren. Dafür wurden ihnen in den letzten Jahren bereits diverse Regelwerke und Planungsinstrumente an die Hand gegeben.

Die Überprüfung der Realität: Die Studie gibt Auskunft
Mit der Evaluierung dieses gesetzlichen Rahmens und der Instrumente zur Herstellung der Barrierefreiheit um Bereich Verkehr hatte das BMDV eine Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus der KCW GmbH, der STUVA e.V. aus Köln sowie Prof. Matthias Knauff (Universität Jena), beauftragt. Neben einer Grundlagenanalyse des rechtlichen Rahmens sowie der verfügbaren Planungsinstrumente wurde auch untersucht, wie die praktische Umsetzung dieses rechtlichen Rahmens erfolgt. Hierzu wurden exemplarisch Nahverkehrspläne sowie die Wirkung anhand von Fallbeispielen analysiert. Die Fallbeispiele kamen aus allen Mobilitätsbereichen – vom öffentlichen Verkehr auf Straße und Schiene über den motorisierten und nichtmotorisierten Individualverkehr bis hin zu Luft- und Schifffahrt. Teil der Wirkungsanalyse waren auch Interviews mit Akteuren und Betroffenen.

Der Rechtsrahmen stimmt weitgehend, die Umsetzung hinkt hinterher
Zusammenfassend zeigt die Studie, dass es keine nennenswerten Lücken und keine gravierenden Mängel bei den rechtlichen Vorgaben zur barrierefreien Mobilität gibt ¬ auch wenn im Detail diverse Verbesserungsmöglichkeiten herausgearbeitet wurden und eine Nachschärfung einzelner Regelungen empfohlen wird.

Das Problem liegt jedoch vor allem in der Umsetzung, hier ist größerer Handlungsbedarf angezeigt. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Bei manchen Akteuren mangelt es an personellen und finanziellen Ressourcen, andere Ursachen sind Unkenntnis und fehlendes Wissen. Fehlende Konsequenzen für Akteure, die den Regelungsrahmen nicht hinreichend beachten, sind ein weiteres Defizit.

Vorschläge zur besseren Umsetzung
Mit Hilfe von Workshops mit externen Sachverständigen und von Menschen mit Mobilitätseinschränkung entwickelte das Projektteam Vorschläge zur Verbesserung sowohl des rechtlichen Rahmens als auch der Umsetzung. Beim rechtlichen Rahmen plädieren die Autoren vor allem dafür, die barrierefreie Mobilität in alle relevanten Rechtsnormen als Zielvorgabe zu verankern. Auch sollten Begrifflichkeiten und Definitionen soweit als möglich vereinheitlicht werden und die anerkannten Regeln der Technik stärker berücksichtigt werden. Damit barrierefreier Mobilität besser um- und durchgesetzt werden kann, erscheint es auch sinnvoll, bei Verstößen die Verbandsklagemöglichkeiten für Betroffenenverbände, die sich im Umweltbereich bewährt haben, auszuweiten und die Nicht-Einhaltung gesetzlicher Vorgaben stärker zu sanktionieren; Fördermittel sollten bei allen Verkehrsprojekten an die Zielerreichung im Sinne barrierefreier Mobilität gekoppelt werden. Bessere, möglichst verpflichtende Kooperation und Abstimmung zwischen den verschiedenen Akteuren und eine bessere fachliche Unterstützung und Hilfestellung sind weitere Empfehlungen. Als hilfreich für die Umsetzung von Barrierefreiheit haben sich in der Analyse auch die frühzeitige Einbeziehung Betroffener in Planungsverfahren sowie eine regelmäßige Evaluierung gezeigt. Nicht zuletzt ist aus Sicht des Projektteams auch eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung der Akteure bei Planung, Bau und Betrieb im Mobilitätsbereich nötig.

Nicht jeder Nahverkehrsplan ist auch wirklich barrierefrei
Deutlich wurden Defizite in der Umsetzung des Rechtsrahmens beispielsweise an der großen inhaltlichen Bandbreite der analysierten Nahverkehrspläne hinsichtlich ihrer Aussagen zur vollständigen Barrierefreiheit – manche NVP deckten bestimmte Handlungsfelder zur Barrierefreiheit nur ansatzweise oder gar nicht ab. Hier ist beispielsweise eine bessere Kooperation zwischen Baulastträgern und ÖPNV-Aufgabenträgern beim Ausbau barrierefreier Haltestellen erforderlich. Handlungsbedarf besteht auch im Bereich der barrierefreien Fahrgastinformation, so manche Aufgabenträger haben dieses Thema noch nicht als wesentliches Handlungsfeld für einen barrierefreien ÖPNV erkannt.

Vorschläge für den Bahnverkehr
Auch im Eisenbahnbereich empfiehlt der Schlussbericht Maßnahmen. Stellvertretend genannt seien bessere Kontrollrechte und die Mitwirkung von Betroffenen, wenn die Eisenbahnunternehmen die Programme zur Barrierefreiheit laut EBO aufstellen oder wenn es darum geht, Lösungen für die Probleme mit unterschiedlichen Einstiegshöhen zu entwickeln.

Die Studie:
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg): Ex-post- Evaluierung gesetzlicher Regelungen und Instrumente zur Herstellung der Barrierefreiheit im Bereich Verkehr. Forschungsprogramm Stadtverkehr (FoPS). FE 70.0898/2013. Bearbeitung durch: STUVA e. V.; KCW GmbH; Prof. Dr. Matthias Knauff. Bonn 2023.