Transformation des Verkehrssektors zur Erfüllung der Klimaziele

Transformation des Verkehrssektors zur Erfüllung der Klimaziele

Die Umstellung von Antrieben reicht nicht aus

Die Klimaziele fordern den Verkehrssektor heraus und geben der stattfindenden Transformation eine Richtung. Welche Herausforderungen sich hieraus ergeben, erläutern die KCW-Berater Axel Stein und Fabien Laurent in einem Beitrag, der nun im Themenheft „Energiewende und Strukturwandel“ der Fachzeitschrift „Informationen zur Raumentwicklung“ erschienen ist.
Ihre Kernbotschaft lautet: Um die Klimaziele zu erreichen, bedarf es neben der umfassenden Einführung neuer Technologien (Dekarbonisierung durch eine Antriebswende) auch planerischer Lösungen. Nur so kann die Mobilitätswende gelingen. Die nötigen Konzepte sind weitgehend bekannt. Ihre Umsetzung hängt von mehreren Faktoren ab. Neben der klaren politischen Strategie gehören dazu die nötigen Finanzmittel und Fachkräfte.

Die Antriebswende bedarf der Flankierung durch eine Mobilitätswende
Mit dem absehbaren Aus des Verbrennermotors richtet sich der Fokus auf die Frage, ausreichend erneuerbare Energie für die Bedarfe des Verkehrssektors zur Verfügung zu stellen. Die sektorenübergreifende Aufgabe der Dekarbonisierung dürfte aktuellen Schätzungen zufolge zu einer Verdopplung des Strombedarfs bis 2045 führen. Umso wichtiger ist eine sparsame Nutzung des – regenerativ zu erzeugenden – Stroms. Erforderlich ist deshalb, dass mehr Wege im Umweltverbund zurückgelegt werden, und deutlich weniger im motorisierten Individualverkehr. Rad- und Fußverkehr punkten durch ihre Nichtmotorisierung. Der öffentliche Verkehr wiederum ist gerade dort gefordert, wo er mit seinem Angebot besonders viele Fahrgäste befördern kann. Diese Effizienz spart nicht nur Kosten, sondern auch Strom – dies wird dringend benötigt.

Kritisch für den Erfolg der Mobilitätswende sind die mittleren bis weiten Distanzen
Es ist unstrittig, dass Maßnahmen im Rad- und Fußverkehr ein zentraler Bestandteil der Mobilitätswende sind. Sie wirken allerdings vorwiegend im lokalen Verkehr. Die beiden KCW-Experten Axel Stein und Fabien Laurent erläutern anschaulich, dass sich der größte Teil des Autoverkehrs auf mittleren bis weiten Strecken abspielt. Den Energiebedarf im Verkehrssektor zu senken ist deshalb erst dann möglich, wenn auch in diesem Verkehrssegment die Voraussetzungen für eine Verlagerung geschaffen werden – gebraucht werden hier besonders der Bahnverkehr und langlaufende Buslinien.
Die sich daraus ergebenden Herausforderungen sind immens: Es geht nicht ohne massive Investitionen in das Bahnnetz, die nicht nur Finanzmittel, sondern auch Fachpersonal für Planung und Bau erfordern. Die derzeit üblichen Vorlaufzeiten bis zur Inbetriebnahme der Strecken von teilweise 30 Jahren sind angesichts des Zielzeitpunkts 2045 deutlich zu lang und müssen verkürzt werden. Umso wichtiger ist, dass außerdem auch das Busangebot erheblich ausgebaut wird. Letztlich werden sich damit die Verkehrsträger des Umweltverbunds – vom Fahrrad über den Bus bis zur Bahn – arbeitsteilig organisieren müssen. Die Angebote sind entsprechend aufeinander abzustimmen und zu vernetzen.

Die Verkehrswende darf nicht an fehlendem Fachpersonal scheitern
Die Verkehrswende wirkt in einer großen Breite auf den Arbeitsmarkt: Die Antriebswende verändert die Fahrzeugindustrie und angrenzende Branchen und damit die dort erforderlichen Qualifikationen. Die Mobilitätswende benötigt Personal in der Verkehrsplanung, im Verkehrswegebau und bei den Mobilitätsdienstleistern.
Die überwiegende Zahl an Studien zum Strukturwandel im Verkehrssektor und der Wirkungen auf den Arbeitsmarkt beschäftigt sich mit den Auswirkungen auf die Industrie, mithin auf die Antriebswende. Die Bedeutung einer Mobilitätswende findet hingegen keine angemessene Entsprechung. Die KCW-Berater machen deutlich, wie problematisch dies ist. Bereits heute bleiben viele Stellen in planenden Behörden oder bei Verkehrsunternehmen unbesetzt. Zuspitzen wird sich die Situation auch deshalb, weil in der nächsten Dekade geburtenstarke Jahrgänge aus dem Arbeitsmarkt herausfallen und relativ geburtenschwache Jahrgänge an deren Stelle treten. Der ÖPNV muss sich daher in einer branchenübergreifenden Konkurrenz mit seinen Stellenangeboten bewähren, was beispielsweise Lohnniveau und Arbeitsbedingungen betrifft.

Der Fachkräftemangel ist angesichts begrenzter Ausbildungskapazitäten aber auch strukturell bedingt. Nur dann, wenn Hochschulen umgehend passende Ausbildungsgänge einrichten und ausbauen und mehr Menschen ein Studium der Planungswissenschaften, des Bauingenieurswesens oder Planungs- und Baurechts abschließen, kann das erforderliche Personal zügig aufgebaut werden.

Die Transformation des Verkehrssektors gelingt nur mit einer grundlegenden Neuorientierung der Verkehrspolitik und -planung
Das Ziel, bis zum Jahr 2045 kein Treibhausgas im Verkehr mehr auszustoßen, ist also nicht allein mit einer Umstellung auf klimaneutrale Antriebe möglich. Für die Gesamtheit der Maßnahmen bedarf es einer grundlegenden Neuorientierung der Verkehrspolitik und -planung bis hin zu Ausbildungsinitiativen. Bisher fehlt es jedoch an einer Strategie, die alle Verkehrssysteme umfasst, zur Vermeidung von Parallelförderung gleichlaufende Ziele herausarbeitet und vom Bund bis zu den Kommunen reicht.

Der Beitrag ist hier zum Download bereit gestellt oder kann mit dem gesamten Themenheft hier bestellt werden: https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/izr/2022/1/izr-1-2022.html.

Axel Stein, Fabien Laurent:
Transformation des Verkehrssektors
Neue Antriebstechnologien, neue Verkehrsplanung und neue Anforderungen an den Arbeitsmarkt
In: Informationen zur Raumentwicklung (IzR), Energiewende und Strukturwandel. Hrsg. BBSR. Heft 1/2022, S. 122-135