© Julian Nolte
Pünktlich wie die Eisenbahn?

Pünktlich wie die Eisenbahn?

KCW entwickelt Maßnahmen für eine bessere Performance der Schiene

Um das Image der Bahn in Deutschland steht es derzeit nicht zum Besten – auch deshalb, weil viele Züge verspätet sind oder gleich ganz ausfallen. Die Vorteile, die das System Schiene bei Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit gegenüber der Konkurrenz eigentlich hat, werden hierzulande kaum ausgespielt. Die enormen Qualitätsprobleme sind ein großer Stolperstein auf dem Weg zur „starken Schiene“: Will man die ambitionierten bahnpolitischen Ziele – Verdopplung der Nachfrage im Personenverkehr und deutlich mehr Schienengüterverkehr bis 2030 – tatsächlich erreichen, sind gerade hier erhebliche Anstrengungen erforderlich.

Wie die Performance der Eisenbahn kurz-, mittel- und langfristig verbessert werden kann, hat KCW mit besonderem Blick auf den Fernverkehr der Deutschen Bahn AG im Auftrag der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen untersucht. Das Ergebnis wurde Anfang Juni veröffentlicht und ist hier abrufbar.

Ausgangslage

Verspätungen gehören für Bahnreisende zum Alltag: In den vergangenen Jahren waren 20 bis 25 Prozent der Züge im Schienenpersonenfernverkehr unpünktlich. Ausgefallene Züge sind dabei nicht enthalten; sie werden in der entsprechenden Statistik gar nicht erst berücksichtigt. Die Auswirkungen dieser Verspätungen auf die Reisenden sind vielfältig: Im günstigsten Fall führen sie „nur“ zu einer etwas späteren Ankunft am Zielort. Werden jedoch Anschlüsse verpasst, steigt die Reisedauer oft deutlich an. Der Anschlusserreichungsgrad liegt seit 2013 deutlich unter 90 Prozent, das heißt, viele Umsteiger verpassen ihre Anschlusszüge.

Pünktlichkeitsquote DB Fernverkehr und Verspätungsminuten pro Zugkilometer
Pünktlichkeitsquote DB Fernverkehr und Verspätungsminuten pro Zugkilometer
Quelle: Quelle: BT-Drs. 19/8483. S. 1, Geschäftsberichte DB Fernverkehr 2012–2017; eigene Darstellung

Maßnahmen zur Verbesserung der Pünktlichkeit

Die Pünktlichkeit im Fernverkehr muss dauerhaft über die 90-Prozent-Marke gebracht werden – ansonsten droht die politisch geforderte Verdopplung der Nachfrage zu scheitern. Den Benchmark setzen Länder wie die Niederlande oder die Schweiz, wo – unter strengeren Pünktlichkeitsdefinitionen – entsprechende Werte erreicht werden.

Bund und Deutsche Bahn AG haben das Problem inzwischen erkannt: Der Konzern hat daher Anfang 2019 einen 5-Punkte-Plan vorgelegt, mit dem Verspätungen vermieden werden sollen. Die dort enthaltenen Schritte sind richtig. Allerdings muss nach Einschätzung von KCW vor allem kurz- und mittelfristig noch mehr getan werden. Sinnvoll sind unter anderem folgende Maßnahmen:

  • die Netzbetreiber müssen standardisierte Umleitungsstrecken bestimmen, um unnötiges Warten auf Ersatzfahrpläne zu vermeiden
  • die Eisenbahnverkehrsunternehmen müssen Reservezüge an wichtigen Knotenpunkten bereithalten, um bei Ausfällen schnell für Ersatz sorgen zu können
  • die Netzbetreiber müssen Abschlepp- und Schneepfluglokomotiven vorhalten
  • Streckenfreigaben nach Störungen müssen durch die Infrastrukturbetreiber erfolgen – und nicht durch die Behörden
  • die Eisenbahnverkehrsunternehmen müssen ihren Kunden realistische Anschlussinformationen bei der Zugbuchung geben, um absehbaren Brüchen in der Reisekette vorzubeugen

Langfristig müssen die Eisenbahnverkehrsunternehmen zusätzliches Rollmaterial beschaffen und auch instandhalten; insbesondere auch, um ausreichende Reserven zu haben. Um infrastrukturbedingte Verspätungen zu vermeiden, müssen die Anstrengungen zum Erhalt des Bestandsnetzes und zum zielgerichteten Ausbau verstärkt werden.

Insgesamt 14 Einzelmaßnahmen sind nach Einschätzung von KCW geeignet, die Pünktlichkeit im deutschen Schienenverkehr dauerhaft zu verbessern. Die relativ hohe Anzahl ist notwendig, da es auch relativ viele Verspätungsursachen gibt – und an allen wichtigen Stellschrauben gedreht werden muss.

KCW schärft mit der Studie für Bündnis 90/Die Grünen erneut sein bahnpolitisches Profil und bringt sich konstruktiv in die politische Debatte darüber ein, wie ein leistungsfähiger Schienenverkehr in Deutschland künftig aussehen sollte.